WEBVTT - autoGenerated 00:00:08.000 --> 00:00:12.000 Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, 00:00:12.000 --> 00:00:16.000 liebe Studierende und liebe Kolleginnen und Kollegen. 00:00:16.000 --> 00:00:20.000 Wir begrüßen heute den Publizisten Jakob Augstein bei uns. 00:00:20.000 --> 00:00:28.000 Mit seinem Namen seiner Herkunft löst er ideal den kleinen geheimen Untertitel dieser Ringvorlesung ein, 00:00:28.000 --> 00:00:34.000 nämlich Augstein-Lectures, in Anlehnung an die von mir bekleidete Stiftungsprofessur. 00:00:34.000 --> 00:00:39.000 Diese Professur wurde nämlich im Jahre 2006 von den Erben 00:00:40.000 --> 00:00:46.000 des Spiegelgründers Rudolf Augstein an der Universität Hamburg gestiftet. 00:00:46.000 --> 00:00:54.000 Jakob Augstein als Vorstand der Familienstiftung hat sich damals dafür von unserem früheren jetzt emiritierten Kollegen 00:00:54.000 --> 00:01:00.000 Professor Weichenberg gewinnen lassen und es damit überhaupt möglich gemacht, 00:01:00.000 --> 00:01:08.000 dass damit eine in Deutschland einmalige Professur für die Praxis des Qualitätsjournalismus ins Leben gerufen werden konnte. 00:01:08.000 --> 00:01:14.000 Die Universität Hamburg hat Jakob Augstein und seiner Stiftung also viel zu verdanken, 00:01:14.000 --> 00:01:15.000 umso schöner, 00:01:15.000 --> 00:01:20.000 dass er heute Abend bei uns ist Und umso gespannter blicken wir auf das, 00:01:20.000 --> 00:01:24.000 Herr Augstein, was Sie uns heute Abend zu sagen haben. 00:01:24.000 --> 00:01:27.000 Sprechen wird unser Gast gleich zu der Frage, haben wir Grund, 00:01:28.000 --> 00:01:33.000 uns zu schämen, von der notwendigen Selbstkritik der Journalisten. 00:01:33.000 --> 00:01:36.000 Bevor er beginnt, möchte ich Ihnen meine Damen und Herren 00:01:36.000 --> 00:01:40.000 das Publizistische Wirken von Herrn Augstein vorstellen. 00:01:40.000 --> 00:01:49.000 Geboren 1967 hier in Hamburg studierte Jakob-Augstein in Berlin ab 1989, 00:01:49.000 --> 00:01:54.000 später dann auch in Paris, Politikwissenschaft sowie Germanistik und Theaterwissenschaft. 00:01:54.000 --> 00:02:00.000 Erschloss als Diplom Politologe ab und absolvierte ein Zeitungsvoluntariat. 00:02:00.000 --> 00:02:05.000 Von 1993 bis 2003 arbeitete er für die Süddeutsche Zeitung, 00:02:05.000 --> 00:02:09.000 zeitweise auch als Verantwortlicher für die Berlin-Seite der SZ, 00:02:09.000 --> 00:02:11.000 die es heute nicht mehr gibt. 00:02:11.000 --> 00:02:17.000 Im Jahr 2008 kaufte der Journalist Augstein die Wochenzeitung, 00:02:17.000 --> 00:02:21.000 der Freitag und wurde damit zum Verleger. 00:02:21.000 --> 00:02:24.000 Mit Verleger ist Herr Augstein, übrigens auch beim Spiegel, 00:02:24.000 --> 00:02:30.000 gehören den Erben Rudolf Augsteins, doch 24 Prozent des Verlags. 00:02:30.000 --> 00:02:33.000 Beim Freitag übernahm Rudolf Jakob Augstein später 00:02:33.000 --> 00:02:35.000 auch die Chefredaktion des Blattes 00:02:36.000 --> 00:02:41.000 Das unter anderem für die wichtige Inhalte mitgestaltende Community, 00:02:41.000 --> 00:02:47.000 Online-Community bekannt ist. Neben seinen Aufgaben als Herausgeber und Chefredakteur 00:02:47.000 --> 00:02:55.000 steuert Herr Augstein fortlaufend auch als Autor viele Meinungsbeiträge und Interviews 00:02:55.000 --> 00:02:59.000 zur in Berlin erscheinenden Wochenzeitung bei. 00:02:59.000 --> 00:03:04.000 Jakob Augstein ist als meinungsstarker Publizist vielfach präsent in vielen Medien 00:03:04.000 --> 00:03:10.000 und auf vielen Plattformen. Bereits seit Januar 2011 läuft auf Spiegel 00:03:10.000 --> 00:03:15.000 Online seine Kolumne im Zweifel links und auch im gedruckten Spiegel 00:03:15.000 --> 00:03:15.500 ist er 00:03:15.500 --> 00:03:17.000 regelmäßig zu lesen 00:03:17.000 --> 00:03:23.000 Seit ebenfalls sechs Jahren gibt es auf Phoenix ein politisches Talk-Format, 00:03:23.000 --> 00:03:26.000 in dem sich ja Augstein allwöchentlich mit Nikolaus Blome, 00:03:26.000 --> 00:03:29.000 über ein aktuelles Thema auseinandersetzt. 00:03:30.000 --> 00:03:33.000 Das gibt es übrigens auch auf YouTube zu sehen, 00:03:33.000 --> 00:03:37.000 überhaupt die sozialen Netzwerke. Auch die weiße Augstein weiblich 00:03:37.000 --> 00:03:41.000 für sich zu nutzen und ist dort erfolgreich. 00:03:41.000 --> 00:03:47.000 48.000 Abonnenten bei Facebook und 114.000 Follower bei Twitter 00:03:48.000 --> 00:03:51.000 Nicht zu vergessen, die Bücher. Als Buchautor ist Herr Augstein 00:03:51.000 --> 00:03:57.000 vor allem mit zwei Titeln hervorgetreten, die gegensätzlicher nicht sein könnten, 00:03:57.000 --> 00:04:00.000 die Tage des Gärtners vom Glück im Freien zu sein, 00:04:00.000 --> 00:04:10.000 2012, und ein Jahr später Sabotage, warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen. 00:04:10.000 --> 00:04:16.000 Jakob Augstein wurde für sein publizistisches Werk 2012 mit einer besonderen 00:04:17.000 --> 00:04:25.000 Ehrung beim Bert-Donnap-Preis ausgezeichnet. Das ist ein Preis für Medienpublizistik, 00:04:25.000 --> 00:04:29.000 also ein Meta-Journalismus, der über Journalismus urteilt 00:04:30.000 --> 00:04:36.000 Womit wir Herr Augstand zurückkehren, in die Hamburger Ringvorlesung, Lügenpresse. 00:04:36.000 --> 00:04:38.000 Und die Frage, Herr Augstein, haben wir Grund, 00:04:39.000 --> 00:04:56.000 uns zu schämen? Bitteschön. Nach den strengen Compliance-Regeln dürfte 00:04:56.000 --> 00:04:58.000 ich hier natürlich gar nicht sprechen. Jetzt wird man wahrscheinlich 00:04:58.000 --> 00:05:03.000 bei Twitter sagen, ich hätte mir diesen Auftritt gekauft, 00:05:03.000 --> 00:05:08.000 über Stiftungsgelder oder irgend sowas. 00:05:08.000 --> 00:05:08.500 Aber nicht mehr, 00:05:08.500 --> 00:05:09.000 nachdem sie diesen Vortrag gehört haben, 00:05:10.000 --> 00:05:11.000 keine Sorge 00:05:13.000 --> 00:05:15.000 So, im Gegenteil, dann wird man sagen, 00:05:15.000 --> 00:05:22.000 ich hätte einen AfD-Vortrag erhalten. Also, guten Abend, 00:05:22.000 --> 00:05:25.000 meine Damen und Herren, danke, dass Sie mich eingeladen haben, 00:05:25.000 --> 00:05:29.000 dafür, dass Sie mir zuhören wollen. 00:05:29.000 --> 00:05:33.000 Ich habe am vergangenen Samstag eine Mail bekommen, 00:05:33.000 --> 00:05:35.000 die war an mehrere Empfänger zur gleichen Zeit gerichtet, 00:05:35.000 --> 00:05:37.000 den Absender kannte ich nicht. 00:05:37.000 --> 00:05:40.000 Da stand mart, hart, keine Ahnung, 00:05:40.000 --> 00:05:42.000 was das bedeutet. 00:05:42.000 --> 00:05:43.000 Unter den Empfängern waren 00:05:44.000 --> 00:05:45.000 sehr viele Spiegeljournalisten 00:05:46.000 --> 00:05:48.000 Und ich selber habe gar keine Spiegeladresse, 00:05:48.000 --> 00:05:51.000 der hat mich also über meine Freitagadresse erreicht. 00:05:51.000 --> 00:05:53.000 Und in der Mail stand nur der Satz, Spiegel, 00:05:53.000 --> 00:05:59.000 Journalisten, schämt ihr euch eigentlich? Das fand ich interessant, 00:05:59.000 --> 00:06:02.000 da war ich richtig dankbar, weil ich ja wusste, 00:06:02.000 --> 00:06:04.000 dass ich heutzutage genau diesem Thema hier reden soll. 00:06:04.000 --> 00:06:08.000 Also habe ich ganz neugierig nachgefragt, wofür denn? 00:06:08.000 --> 00:06:14.000 Weil ich dachte, ich bekomme jetzt irgendwie hilfreiche Hinweise hier für heute. 00:06:14.000 --> 00:06:20.000 Und dieser Marthard hat dann zurückgeschrieben für euren Volksverrat natürlich, 00:06:20.000 --> 00:06:22.000 du dreckige, 00:06:22.000 --> 00:06:25.000 linke Ratte 00:06:26.000 --> 00:06:30.000 Da habe ich dann nicht noch weiter nachgefragt. Ich finde aber, 00:06:30.000 --> 00:06:35.000 dass dieser Mail-Schreiber Recht hat, auf eine andere Weise, 00:06:35.000 --> 00:06:37.000 als ihm klar ist und als sie ihm lieb sein dürfte, 00:06:37.000 --> 00:06:41.000 aber er hat Recht. Wir Journalisten, alle, 00:06:41.000 --> 00:06:47.000 ja, nicht nur dieses Spiegel, sollten uns schämen. 00:06:47.000 --> 00:06:50.000 Und tatsächlich, man kann uns sogar Volksverräter nennen. 00:06:50.000 --> 00:06:52.000 Ich würde das Wort nicht benutzen, aber ich weiß schon, 00:06:53.000 --> 00:06:58.000 was er meint und ich finde, der Begriff trifft. 00:06:58.000 --> 00:07:02.000 Wollen Sie jetzt von mir noch eine Weihe volle Rede über die Demokratie hören, 00:07:02.000 --> 00:07:06.000 dass wir sie bewahren müssen und wie wichtig die Medien 00:07:06.000 --> 00:07:08.000 dafür sind, 00:07:08.000 --> 00:07:09.000 über Werte 00:07:09.000 --> 00:07:15.000 Freiheit, Liberalismus, das Erbe des Westens und dass wir 00:07:15.000 --> 00:07:19.000 das verteidigen müssen gegen die Anbrandung der autoritären Bedrohung. 00:07:19.000 --> 00:07:25.000 Über Putin, Islamismus und die AfD. Über das Schimpfwort Lügenpresse, 00:07:25.000 --> 00:07:29.000 über das Schlagwort Fake News und wie wichtig es ist, 00:07:29.000 --> 00:07:33.000 sich dem Begriff Wahrheit nicht kaputt reden zu lassen. 00:07:33.000 --> 00:07:36.000 Dann muss ich sie enttäuschen, ich will solche Reden weder 00:07:36.000 --> 00:07:41.000 hören noch halten. Erstens ist mein Bedarf daran wirklich gedeckt, 00:07:41.000 --> 00:07:44.000 hatte ich schon, brauche ich nicht mehr, danke. 00:07:44.000 --> 00:07:46.000 Und zweitens glaube ich sie auch nicht mehr 00:07:47.000 --> 00:07:49.000 Ich gehöre nämlich leider zu jenen, 00:07:49.000 --> 00:07:54.000 in die der Spaltpilz des Zweifels seine Sporen gesetzt hat. 00:07:54.000 --> 00:07:58.000 Demokratie, Westen, Wahrheit. Ich beglückwünsche Sie, 00:07:58.000 --> 00:08:02.000 wenn das noch Worte sind, die Ihnen so ohne weiteres über die Lippen gehen. 00:08:03.000 --> 00:08:06.000 Und zu denen Sie noch ein ungebrochenes Verhältnis haben. 00:08:06.000 --> 00:08:10.000 Mir geht das nicht so. Mir zerinnen Sie zwischen 00:08:10.000 --> 00:08:16.000 den Fingern, wenn ich versuche, danach zu greifen. 00:08:16.000 --> 00:08:17.000 Die Debatte, die Sie hier führen, 00:08:17.000 --> 00:08:20.000 im Rahmen Ihrer Vorlesungsreihe zur Lügenpresse, 00:08:20.000 --> 00:08:21.000 die beschäftigt mich schon auch 00:08:22.000 --> 00:08:26.000 Aber vielleicht anders als manche von Ihnen. Sie führt bei mir 00:08:26.000 --> 00:08:32.000 nicht zu einer Rückbesinnung auf das Schöne, gute Ware des Journalismus. 00:08:32.000 --> 00:08:34.000 Ich habe neulich etwas gelesen und festgestellt, 00:08:34.000 --> 00:08:38.000 ich bin genau der gegenteiligen Meinung von dem Zitat, 00:08:38.000 --> 00:08:40.000 dass ich Ihnen jetzt sage. 00:08:40.000 --> 00:08:45.000 Zitat. Geistes- und Kulturwissenschaftler haben viel zu fahrlässig den Begriff 00:08:45.000 --> 00:08:54.000 der Wahrheit in einer erkenntnistheoretischen Debatte aufgelöst und die Vorstellung verbreitet alles und jedes sei nur ein Konstrukt. 00:08:54.000 --> 00:08:56.000 Das war, wie man heute sagen muss, 00:08:56.000 --> 00:08:59.000 eine postmoderne Idiotie 00:09:00.000 --> 00:09:01.000 Nun müssen wir anerkennen, 00:09:01.000 --> 00:09:07.000 das Anti-Autoritäre und irgendwann ins Beliebige driftende Spiel mit den vielen Wirklichkeiten, 00:09:07.000 --> 00:09:11.000 das gerade noch so wahnsinnig schick erschien, 00:09:11.000 --> 00:09:18.000 ist nichts für ernste Zeiten und den Eskalationsfall global zirkulierender Gerüchte. 00:09:18.000 --> 00:09:23.000 Wir brauchen den Begriff der Wahrheit im öffentlichen Diskurs. 00:09:23.000 --> 00:09:27.000 Zitat Ende. Das stammt von einem Medienwissenschaftler, 00:09:27.000 --> 00:09:31.000 ich sage jetzt den Namen nicht, sie waren es nicht. 00:09:31.000 --> 00:09:37.000 Und ich halte es für falsch. Ich werfe den Journalisten gerade vor, 00:09:37.000 --> 00:09:39.000 dass viele von ihnen viel zu lange und viel zu hartnäckig 00:09:39.000 --> 00:09:43.000 an der Vorstellung festhalten haben, 00:09:43.000 --> 00:09:45.000 sie seien im Besitz von Wahrheit 00:09:48.000 --> 00:09:53.000 Dass sie darauf beharrten, sie hätten einen privilegierten Zugang zu Wahrheit, 00:09:53.000 --> 00:09:57.000 dass sie nicht kategorial unterscheiden wollten zwischen dem, 00:09:57.000 --> 00:10:00.000 was sie selber für die Wahrheit halten und dem, 00:10:00.000 --> 00:10:06.000 was sie gerne zur allgemeinen Wahrheit machen wollen. 00:10:06.000 --> 00:10:14.000 Damit falle ich mit dieser Einstellung für das Gewissheitslieferantengeschäft leider aus. 00:10:14.000 --> 00:10:18.000 Aber vielleicht bin ich umso besser geeignet für das Thema dieses Vortrags, 00:10:18.000 --> 00:10:24.000 haben wir Grund, uns zu schämen von der notwendigen Selbstkritik der Journalisten. 00:10:24.000 --> 00:10:26.000 Also Grund zur Selbstkritik gibt es immer nicht, 00:10:26.000 --> 00:10:27.000 die haben wir alle 00:10:28.000 --> 00:10:32.000 Aber wenn ich mir unsere Zunft ansehe, 00:10:32.000 --> 00:10:34.000 jetzt mit der ich ja selber gehöre, 00:10:34.000 --> 00:10:37.000 dann würde ich eben doch diesen Schritt weitergehen und sagen, 00:10:37.000 --> 00:10:41.000 es gibt auch Grund zur Scham. 00:10:41.000 --> 00:10:43.000 Und ich freue mich über dieses Wort Scham im Titel. 00:10:43.000 --> 00:10:46.000 Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, das so zu formulieren. 00:10:46.000 --> 00:10:49.000 Ich habe es ja vorgefunden, ein schönes Wort Scham. 00:10:49.000 --> 00:10:55.000 Im Deutschen ist es zuallererst mit der Vorstellung körperlicher Nacktheit verknüpft, 00:10:55.000 --> 00:10:57.000 die nicht gesehen werden will. Die Scham ist das, 00:10:57.000 --> 00:11:01.000 was man verhüllt. Die dazugehörige Geschichte hat sich, 00:11:01.000 --> 00:11:03.000 wie Sie wissen, im Paradies abgespielt, 00:11:03.000 --> 00:11:09.000 als die Schlange auf den Baum der Erkenntnis zeigte und zu Adam und Eva sagte, 00:11:09.000 --> 00:11:09.500 an dem Tag, 00:11:09.500 --> 00:11:11.000 da ihr davon esst, 00:11:11.000 --> 00:11:13.000 werden eure Augen aufgehen und ihr werdet sein wie Gott und 00:11:13.000 --> 00:11:14.000 wissen, 00:11:15.000 --> 00:11:16.000 was gut und böse ist 00:11:17.000 --> 00:11:22.000 Sie aßen davon und sie schämten sich. Wenn ich mich umsehe, 00:11:22.000 --> 00:11:28.000 dann stelle ich fest, die meisten Journalisten schämen sich gar nicht. 00:11:28.000 --> 00:11:32.000 Sie haben also noch nicht gegessen. Sie haben noch nicht bemerkt, 00:11:32.000 --> 00:11:34.000 dass sie nackt sind, aber, 00:11:34.000 --> 00:11:36.000 und das ist der Unterschied zu Adam und Eva, 00:11:36.000 --> 00:11:39.000 Journalisten glauben schon vor dem Essen, dass sie genau wissen, 00:11:40.000 --> 00:11:41.000 was gut und böse ist. 00:11:41.000 --> 00:11:44.000 Die Schamesröte würde es ihnen erst ins Gesicht treiben, 00:11:44.000 --> 00:11:46.000 wenn sie sich klar machen, 00:11:46.000 --> 00:11:48.000 dass ihre Nacktheit gerade darin besteht, 00:11:48.000 --> 00:11:50.000 dass sie es eben nicht wissen. 00:11:50.000 --> 00:11:52.000 Ihre Nacktheit liegt in ihrem Nichtwissen 00:11:52.000 --> 00:11:55.000 über ihre eigene Täuschung 00:11:56.000 --> 00:11:58.000 Wenn man jetzt diese Metapher hochdrehen will, könnte man fragen, 00:11:58.000 --> 00:12:02.000 wer ist die Schlange, die den Journalisten den richtigen Tipp gibt? 00:12:02.000 --> 00:12:08.000 Und was wäre der Apfel? Ich bin inzwischen alt genug, 00:12:08.000 --> 00:12:13.000 meine Umgebung mit langweiligen Geschichten von früher zu erfreuen und frage sie deshalb, 00:12:14.000 --> 00:12:16.000 ob sie sich noch an Tom Kummer erinnern. 00:12:16.000 --> 00:12:22.000 Das war der Reporter, der mit gefälschten Interviews aufgeflogen ist. 00:12:22.000 --> 00:12:27.000 Und als er stürzte, riss er die damalige Chefredaktion des SZ-Magazins mit sich. 00:12:27.000 --> 00:12:30.000 Einer der Kollegen ist jetzt Chef der Welt. Daran sehen sie, 00:12:30.000 --> 00:12:38.000 wie tief der Fall war. Und jedenfalls wurde damals, 00:12:39.000 --> 00:12:43.000 Das war im Jahr 2000, in der Süddeutschen Zeitung, 00:12:43.000 --> 00:12:46.000 auf einmal unheimlich viel über journalistische Standards geredet. 00:12:47.000 --> 00:12:51.000 Und über das Phänomen des sogenannten Borderline-Journalismus. So fein hat man 00:12:51.000 --> 00:12:55.000 das damals formuliert. Mich wunderte das sehr, denn ich fand irgendwie, 00:12:56.000 --> 00:12:59.000 dass es gar nicht so viel Gesprächsbedarf hätte geben dürfen. 00:12:59.000 --> 00:13:01.000 Ich meine, ein Interview, das nicht stattgefunden hat, 00:13:01.000 --> 00:13:05.000 das ist gefälscht und fälschen soll man nicht und Ende der Durchsage, 00:13:05.000 --> 00:13:10.000 also Fake News, Fake-Interviews, was soll's. 00:13:10.000 --> 00:13:13.000 Aber das Thema beschäftigte die Kollegen unheimlich, 00:13:13.000 --> 00:13:15.000 vor allem im Parlamentsbüro wurde sehr viel und sehr, 00:13:15.000 --> 00:13:19.000 sehr streng darüber gesprochen. 00:13:19.000 --> 00:13:21.000 Also gerade dort, wo die härtesten der harten Nachrichten 00:13:21.000 --> 00:13:22.000 erzeugt und gehandelt werden 00:13:24.000 --> 00:13:28.000 Die Kollegen waren derart aus dem Häuschen, dass mir ein Verdacht kam. 00:13:28.000 --> 00:13:31.000 Ich hatte nämlich immer schon eine Schwäche für Leinenpsychologie. 00:13:31.000 --> 00:13:37.000 In diesem schrägen Vogel, Tom Kummer, haben sie ihren eigenen Dämon erkannt. 00:13:38.000 --> 00:13:42.000 Und nichts muss vernichtender bekämpft werden als der eigene Dämon. 00:13:42.000 --> 00:13:48.000 Und dieser Dämon hat einen Namen Wirklichkeitsmanipulation. Dieses Wort stammt 00:13:48.000 --> 00:13:50.000 nicht von mir, sondern von Stefan Lebert, 00:13:50.000 --> 00:13:54.000 Kollege von der Zeit, früher auch Süddeutsche. 00:13:54.000 --> 00:13:57.000 Der hat nämlich in der Zeit neulich einen Artikel geschrieben, 00:13:57.000 --> 00:14:00.000 den man, glaube ich, selbstkritisch nennen kann. 00:14:00.000 --> 00:14:04.000 Da steht, dass die Journalisten viel zu wenig dagegen unternommen hätten, 00:14:04.000 --> 00:14:09.000 dass mächtige Interessengruppen andauernd ihre jeweils eigenen Versionen von Wahrheit 00:14:09.000 --> 00:14:10.000 in die Welt setzten 00:14:11.000 --> 00:14:14.000 Lebert schreibt, wir Journalisten sind Teil des Establishments geworden. 00:14:15.000 --> 00:14:16.000 Es ist Zeit, das zu ändern. 00:14:17.000 --> 00:14:19.000 Und die Leser und Zuschauer registrierten, 00:14:19.000 --> 00:14:26.000 dass die Journalisten ihre Rolle als Kontrolleure und unbestechliche Beobachter mehr und mehr verloren. 00:14:26.000 --> 00:14:31.000 Man wollte zu den Eliten gehören, also wurde man auch so wahrgenommen. 00:14:31.000 --> 00:14:34.000 Ich glaube, das trifft zu. Ich glaube aber, 00:14:34.000 --> 00:14:39.000 anders als der Kollege Lebert vermutlich, dass es sogar unvermeidlich so ist. 00:14:40.000 --> 00:14:42.000 Dass aber die Journalisten den Fehler gemacht haben, 00:14:42.000 --> 00:14:45.000 nicht in ausreichendem Maße darauf hinzuweisen, 00:14:45.000 --> 00:14:48.000 auf diese Wirklichkeitsmanipulationen 00:14:49.000 --> 00:14:52.000 Der Satz dieses Medienwissenschaftlers von eben, ja, 00:14:52.000 --> 00:14:54.000 wir brauchen den Begriff der Wahrheit im öffentlichen Diskurs. 00:14:54.000 --> 00:14:58.000 Den halte ich für echt gefährlich. Denn wer mit dem 00:14:58.000 --> 00:15:02.000 Begriff Wahrheit operiert, wird zwangsläufig auch auf ihn hereinfallen. 00:15:02.000 --> 00:15:06.000 In der Darstellung von Wirklichkeit kann Wahrheit niemals absolut entstehen, 00:15:07.000 --> 00:15:10.000 sondern immer nur annäherungsweise. Wahrheit liegt vielleicht in den Dingen, 00:15:10.000 --> 00:15:16.000 das ist dann ihrem philosophischen oder religiösen Grundverständnis überlassen, 00:15:16.000 --> 00:15:19.000 aber sicherlich nicht im Reden über die Dinge. 00:15:19.000 --> 00:15:21.000 Wenn wir den Begriff der Wahrheit benutzen wollen, 00:15:22.000 --> 00:15:24.000 dann bitte immer nur in der Eigenschaft als 00:15:24.000 --> 00:15:26.000 allgemein anerkannter Konvention 00:15:28.000 --> 00:15:32.000 Der Unterschied ist wichtig, denn darin steckt die Städtemöglichkeit der Korrektur. 00:15:32.000 --> 00:15:33.000 Viel zu viele Journalisten, 00:15:33.000 --> 00:15:36.000 aber machen dauernd den Fehler an ihre eigenen Wahrheiten, 00:15:36.000 --> 00:15:40.000 wirklich zu glauben oder eben an die der anderen. 00:15:40.000 --> 00:15:42.000 Ich würde sagen, wir erleben gerade, 00:15:42.000 --> 00:15:46.000 wie uns dieser Fehler um die Ohren fliegt. 00:15:46.000 --> 00:15:48.000 Warum reden Sie hier über Lügenpresse? Warum laden Sie mich 00:15:48.000 --> 00:15:53.000 ein, über Scham zu sprechen? Journalisten sind keine Therapeuten, 00:15:53.000 --> 00:15:56.000 bei denen ständige Supervision, obligatorisch ist. 00:15:56.000 --> 00:16:00.000 Also Journalisten fangen erst dann an, sich selbst zu hinterfragen, 00:16:00.000 --> 00:16:04.000 wenn es wirklich nicht mehr anders geht. 00:16:04.000 --> 00:16:06.000 Wir befassen uns nur kritisch mit uns selbst, 00:16:06.000 --> 00:16:07.000 wenn es uns schlecht geht 00:16:09.000 --> 00:16:13.000 Und es geht uns schon ziemlich schlecht. In der Süddeutschen Zeitung habe ich vorgestern gelesen, 00:16:13.000 --> 00:16:17.000 dass die Washington Post im Internet acht Stellen ausgeschrieben hat. 00:16:17.000 --> 00:16:22.000 Das war eine Triumph-Meldung, um die Stärke des klassischen Journalismus zu unterstreichen. 00:16:22.000 --> 00:16:29.000 Acht Stellen, um Himmels Willen. Neben allen anderen Gründen, 00:16:30.000 --> 00:16:32.000 für die Krise des Journalismus, der Zeitung und der Verlage, 00:16:32.000 --> 00:16:34.000 die sie alle auswendig kennen und über die wir jetzt hier nicht reden müssen, 00:16:35.000 --> 00:16:36.000 gibt es eben einen, 00:16:36.000 --> 00:16:41.000 der viel zu selten genannt wird und den ich für den eigentlich Spannenden halte. 00:16:41.000 --> 00:16:44.000 Denn es ist der Grund, der echt weh tut. 00:16:44.000 --> 00:16:46.000 Es ist der Verrat an der Sache. 00:16:47.000 --> 00:16:49.000 Ich sage jetzt an der Sache und nicht am Volk, 00:16:49.000 --> 00:16:51.000 wie der Mail-Schreiber von vorhin 00:16:53.000 --> 00:16:57.000 Andererseits könnte man sagen, das Volk oder moderner die Gesellschaft, 00:16:57.000 --> 00:17:03.000 ist das nicht auch die Sache des Journalismus? 00:17:03.000 --> 00:17:05.000 Und wenn wir jetzt hinhören, da brauchen wir gar nicht so feine Ohren, 00:17:05.000 --> 00:17:10.000 dann merken wir im Volk romort es oder falls Ihnen das lieber ist, 00:17:10.000 --> 00:17:15.000 die Bindungskräfte der Gesellschaft alarmen. 00:17:15.000 --> 00:17:16.000 Und ich glaube, was wir da hören, 00:17:16.000 --> 00:17:18.000 das ist die Paradoxie der Gegenwart, nämlich, 00:17:18.000 --> 00:17:23.000 dass die Eliten die Früchte der Globalisierung ernten und der Rest der Leute, 00:17:23.000 --> 00:17:24.000 der soll halt zusehen, 00:17:24.000 --> 00:17:27.000 wo er bleibt. 00:17:27.000 --> 00:17:30.000 Deutschland ist ein ungerechtes Land 00:17:31.000 --> 00:17:34.000 Sie sitzen jetzt hier, sie können nicht so ohne weiteres weglaufen. 00:17:34.000 --> 00:17:37.000 Deshalb langweilige ich sie jetzt mit Statistiken. 00:17:37.000 --> 00:17:41.000 Die müssen sie sich aber einfach mal reintun, 00:17:41.000 --> 00:17:47.000 weil wir Journalisten ihnen diese Statistiken viel zu selten präsentiert haben. 00:17:47.000 --> 00:17:53.000 1970 besaß das oberste Zehntel der Westdeutschen 44 Prozent des Nettogeldvermögens. 00:17:53.000 --> 00:17:57.000 2011 waren es 66 Prozent, 00:17:57.000 --> 00:17:59.000 die von der Masse der Menschen getragenen Lohn, 00:17:59.000 --> 00:18:04.000 Umsatz und Verbrauchssteuern ergeben 80 Prozent des gesamten Steueraufkommens, 00:18:04.000 --> 00:18:08.000 die Unternehmens- und Gewinnsteuernmachern nur 12 Prozent aus 00:18:09.000 --> 00:18:14.000 Millionen Menschen leben von Niedriglöhnen, sechs Millionen arbeiten für unter acht Euro, 00:18:14.000 --> 00:18:18.000 zwölf Millionen leben an oder unter der Armutsgrenze. 00:18:18.000 --> 00:18:21.000 Und 25 Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben sogenannte prekäre Jobs, 00:18:22.000 --> 00:18:24.000 Leiharbeit, Zeitarbeit, Werkverträge, Praktika. 00:18:24.000 --> 00:18:30.000 Jeder zweite neu zu besetzen, Arbeitsplatz in Deutschland ist befristet. 00:18:30.000 --> 00:18:36.000 Die deutsche Wirtschaftsleistung stieg zwischen 1991 und 2013 pro Kopf um 29 Prozent, 00:18:36.000 --> 00:18:42.000 aber das reale Nettoeinkommen für einen mittleren Haushalt nur um acht Prozent. 00:18:42.000 --> 00:18:46.000 Die unteren 30 Prozent der Haushalte verdienten 2013 netto nicht mehr 00:18:49.000 --> 00:18:56.000 Diese Zahlen sind echt erschütternd. Als er über das Verhältnis von reichenden Armen sprach, 00:18:56.000 --> 00:18:58.000 hat der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wähler vor ein paar Jahren gesagt, 00:18:59.000 --> 00:19:02.000 es bleibt bisher eine offene Frage, 00:19:02.000 --> 00:19:09.000 weshalb sich nur geringer Widerstand gegen die maßlose Einkommens- und Vermögenssteigerung regt. 00:19:10.000 --> 00:19:13.000 Das war vor dem Aufkommen der AfD. 00:19:13.000 --> 00:19:17.000 Dabei musste Wähler doch damals eigentlich die Antwort schon kennen. 00:19:17.000 --> 00:19:18.000 Was ist die Wirklichkeit 00:19:19.000 --> 00:19:22.000 Die sich in diesen Zahlen widerspiegelt. Im Vergleich zu den 00:19:22.000 --> 00:19:27.000 Strukturen der Macht, die Industrie, die regierenden Parteien, 00:19:27.000 --> 00:19:31.000 große Teile der Medien, willfährige Forschern, Institute. 00:19:31.000 --> 00:19:34.000 Sie haben alle geholfen, die Tatsachen zu leugnen, 00:19:35.000 --> 00:19:39.000 zu relativieren und zu ignorieren. Das Kartell der Profiteure war so stark, 00:19:39.000 --> 00:19:41.000 dass es auf die Wirklichkeit keine Rücksicht mehr nehmen musste. 00:19:41.000 --> 00:19:46.000 Es schaffte sich seine eigene Wirklichkeit. Lange Jahre hat man 00:19:46.000 --> 00:19:49.000 den Leuten beigebracht, ihren Augen nicht mehr zu trauen und 00:19:49.000 --> 00:19:54.000 Ungerechtigkeit für Notwendigkeit zu halten und Unsinn für Vernunft. 00:19:54.000 --> 00:19:57.000 Schulen verfallen, Städte verrotten, Straßen verkommen, 00:19:57.000 --> 00:19:59.000 an den Kreuzungen glauben die Menschen, 00:19:59.000 --> 00:20:01.000 Pfandflaschen aus den Mülleimern, 00:20:01.000 --> 00:20:01.500 aber das heißt, 00:20:01.500 --> 00:20:03.000 wir leben in einer Leistungsgesellschaft 00:20:05.000 --> 00:20:08.000 Das stimmt nur gar nicht. Wir leben in einem Ständestaat. 00:20:08.000 --> 00:20:13.000 In seiner berühmten Agenda-Rede aus dem Jahr 2003 hat Dickerhard Schröder gesagt, 00:20:13.000 --> 00:20:15.000 es darf nicht so bleiben, 00:20:15.000 --> 00:20:18.000 dass in Deutschland die Chance des Gymnasialbesuches für einen Jugendlichen aus 00:20:18.000 --> 00:20:21.000 der Oberschicht sechs bis zehnmal so hoch ist wie für einen Jugendlichen, 00:20:22.000 --> 00:20:25.000 aus einem Avatar-Haushalt. 00:20:25.000 --> 00:20:29.000 Das war 2003. Heute sagt Sigmar Gabriel im Bundestag, 00:20:29.000 --> 00:20:33.000 dieser Sozialstaat muss alles dafür tun, damit ererbter Status nicht zum Schicksal wird. 00:20:33.000 --> 00:20:34.000 Wir wollen nicht, dass die Frage der Herkunft das Schicksal 00:20:35.000 --> 00:20:38.000 des Menschen bestimmt. Da scheint sich in der Zwischenzeit nicht 00:20:38.000 --> 00:20:41.000 so wahnsinnig viel getan zu haben und dabei war die SPD 00:20:42.000 --> 00:20:43.000 fast die ganze Zeit in der Regierung 00:20:46.000 --> 00:20:54.000 Die sozialpolitischen Ziele dieser Politik wurden verfehlt, die Wirtschaftspolitischen wurden erreicht. 00:20:54.000 --> 00:20:58.000 Die Agenda-Politik, die Schröder erfunden hat und die Merkel fortsetzt, 00:20:58.000 --> 00:21:04.000 hat Deutschlands Wirtschaft gestärkt, aber sie hat die Deutschen geschwächt. 00:21:04.000 --> 00:21:10.000 Vor ein paar Jahren hat die Bundesregierung einen ihrer Armutsberichte veröffentlicht und da konnte man sehen, 00:21:10.000 --> 00:21:14.000 wie wenig Illusionen sich die Menschen über die deutsche Wirklichkeit machten, 00:21:14.000 --> 00:21:18.000 viel, viel weniger als die deutschen Journalisten. 00:21:18.000 --> 00:21:20.000 Als man sie nämlich nach den Gründen für Reichtum in der Gesellschaft fragte, 00:21:20.000 --> 00:21:25.000 dann nannte ein Viertel, besondere Fähigkeiten oder harte Arbeit, 00:21:26.000 --> 00:21:27.000 aber eine viel größere Anzahl dagegen, 00:21:27.000 --> 00:21:30.000 nämlich 46 Prozent führte die Herkunft an, 00:21:30.000 --> 00:21:34.000 oder das soziale Netzwerk, 39 Prozent, 00:21:34.000 --> 00:21:40.000 und die ganz enttäuschten hielten gleich Unehrlichkeit, immerhin 30 Prozent, 00:21:40.000 --> 00:21:47.000 oder die Ungerechtigkeit des Wirtschaftssystems 25 Prozent für die Wurzeln des Wohlstands. 00:21:48.000 --> 00:21:55.000 Was war damals erschreckender? Der Realismus der Menschen oder ihre Passivität 00:21:55.000 --> 00:21:58.000 ? Es gibt Untersuchungen, nach denen sich jeder Fünfte, 00:21:58.000 --> 00:22:04.000 vielleicht sogar jeder dritte Bürger manchmal fremd in diesem eigenen Land 00:22:04.000 --> 00:22:05.000 Deutschland fühlt 00:22:06.000 --> 00:22:10.000 Auch als Fremder im öffentlichen Leben, der Soziologe Hartmut Rosa 00:22:10.000 --> 00:22:13.000 , hat vom Versagen der Politik als Resonanzsphäre gesprochen. 00:22:14.000 --> 00:22:19.000 Die Menschen haben das Gefühl, ihre Fragen verklingen ungehört. 00:22:19.000 --> 00:22:24.000 An solche Leute hat sich der AfD-Mann Björn Höcke gewendet, 00:22:24.000 --> 00:22:34.000 als er im traurigen Cottbus einmal die deutsche Vertrauensgemeinschaft beschworen. 00:22:34.000 --> 00:22:37.000 Wenn dort beim Vertrauen nicht das Problem läge, 00:22:37.000 --> 00:22:39.000 dann würde man gar nicht verstehen, 00:22:39.000 --> 00:22:41.000 was er da meinte 00:22:42.000 --> 00:22:46.000 Das alles kommt nicht überraschend. Wenn man wissen wollte, 00:22:46.000 --> 00:22:48.000 konnte man wissen, 00:22:48.000 --> 00:22:49.000 und wer wollte, 00:22:49.000 --> 00:22:51.000 konnte den Soziologen Wilhelm Halbmeier lesen, 00:22:51.000 --> 00:22:58.000 der zwischen den Jahren 2002 und 2012 in seiner Bielefälle Langzeitstudie deutsche Zustände davor warnte, 00:22:58.000 --> 00:23:00.000 was das an der Gesellschaft wird, 00:23:00.000 --> 00:23:14.000 in der sich die prekäre Teilhabe an den materiellen Gütern ausbreitet und der Mangel an politischer Partizipation und moralischer Anerkennung zunimmt. 00:23:14.000 --> 00:23:18.000 Ich empfehle Ihnen einmal, jüngere Interviews mit Herrn Heidmeier, 00:23:18.000 --> 00:23:18.500 der ist inzwischen 00:23:18.500 --> 00:23:21.000 auch schon ein bisschen älter dann, 00:23:21.000 --> 00:23:22.000 zu lesen 00:23:22.000 --> 00:23:28.000 Der hat richtig schlechte Laune. Denn er hat es schon 00:23:28.000 --> 00:23:31.000 die ganze Zeit gesagt, man hat bloß nicht auf ihn gehört. 00:23:31.000 --> 00:23:33.000 Und das ist natürlich eine ziemlich blöde Rolle, 00:23:33.000 --> 00:23:40.000 in der man sich dann wiederfindet. Er sagt, 00:23:40.000 --> 00:23:44.000 es gab und gibt einen weit verbreiteten politischen Autismus. 00:23:44.000 --> 00:23:50.000 Die prekäre Zivilität wollte man nicht wahrhaben, auch für intelligente Wochenblätter. 00:23:50.000 --> 00:23:51.000 Und ich glaube, da wissen wir, 00:23:51.000 --> 00:23:54.000 von welchem er spricht, war, 00:23:54.000 --> 00:23:55.000 dass nur Bielefelder, 00:23:58.000 --> 00:24:01.000 Nun ist jede Gesellschaft geronnene Ungerechtigkeit, 00:24:01.000 --> 00:24:05.000 die Beschäftigten fürchten immer die Entscheidungen ihrer Vorgesetzten, 00:24:05.000 --> 00:24:10.000 aber die vorgesetzten Fürchten nicht die Entscheidungen der Beschäftigten. 00:24:10.000 --> 00:24:16.000 Das ist die Definition von Abhängigkeit. Und dieses Missverhältnis sollte 00:24:16.000 --> 00:24:21.000 im sozialen, demokratischen Rechtsstaat der Ausgangspunkt von Politik sein. 00:24:21.000 --> 00:24:28.000 Neoliberalismus zerstört diesen Zusammenhang. Der Philosoph Björn Schulhahn aus Berlin hat geschrieben, 00:24:28.000 --> 00:24:32.000 Neoliberalismus formt aus dem unterdrückten Arbeiter einen freien Unternehmer, 00:24:33.000 --> 00:24:34.000 einen Unternehmer seiner selbst. 00:24:34.000 --> 00:24:39.000 Jeder ist heute selbst ausbeutender Arbeiter seines eigenen Unternehmens. 00:24:39.000 --> 00:24:44.000 Hahn sagt, wer heute scheitere, der Beschuldige, sich selbst 00:24:44.000 --> 00:24:47.000 und schäme sich. Und dieses Charme sei der Grund, 00:24:48.000 --> 00:24:50.000 dass keine Revolution mehr möglich sei, 00:24:50.000 --> 00:24:54.000 trotz der immer größer werdenden Schere zwischen Reich und Arm. 00:24:54.000 --> 00:24:58.000 Der Philosoph hat sich geirrt. Die Revolution hat längst begonnen, 00:24:58.000 --> 00:25:02.000 sie kommt bloß leider von rechts. Denn die Rechten sind dabei, 00:25:02.000 --> 00:25:08.000 die kulturelle Hegemonie zu gewinnen, die den Linken entglitten ist. 00:25:08.000 --> 00:25:09.000 Wir sehen, wie sie 00:25:09.000 --> 00:25:14.000 die Grenzen des Sagbaren und auch des machbaren Verschieben 00:25:16.000 --> 00:25:17.000 Es ist, wie Sie wissen, kriminell, 00:25:17.000 --> 00:25:23.000 Ausländerwohnheime anzuzünden als politische Strategie, ungemein erfolgreich. 00:25:23.000 --> 00:25:26.000 Und es ist total irre, die Europäische Union verlassen zu 00:25:27.000 --> 00:25:31.000 wollen, aber als politische Strategie unheimlich erfolgreich. 00:25:31.000 --> 00:25:39.000 Und es ist echt unredlich zu lügen, als politische Strategie aber unheimlich erfolgreich. 00:25:39.000 --> 00:25:43.000 Für sowas sind die Linken zufriedlich, zu nett, zu vernünftig. 00:25:43.000 --> 00:25:49.000 Die Linken machen niemandem mehr Angst. Es ist die Angst vor den Rechten, 00:25:49.000 --> 00:25:53.000 die jetzt die Politik bestimmt und wir werden erleben, 00:25:53.000 --> 00:25:55.000 dass sich ein politisches System nicht aus Vernunft ändert, 00:25:55.000 --> 00:25:56.000 sondern aus Angst 00:25:59.000 --> 00:26:02.000 Wo den Abgehängten, der politische Resonanzraum fehlt, 00:26:02.000 --> 00:26:08.000 bringen die rechten Bewegungen ihren Zuhörern die Welt wieder zum Klingen. 00:26:09.000 --> 00:26:14.000 Und da bin ich sozusagen am Ende meiner gedanklichen Klammer, 00:26:15.000 --> 00:26:20.000 wäre es nicht die Aufgabe der Zeitungen gewesen, die Welt zum Klingen zu bringen. 00:26:21.000 --> 00:26:23.000 Denn wenn es ihnen um die Wahrheit geht, dann frage ich mich, 00:26:23.000 --> 00:26:28.000 warum haben die Journalisten die Wahrheit über die Lage im Land eigentlich so sträflich ignoriert? 00:26:29.000 --> 00:26:33.000 Das haben sie. Es gibt Ausnahmen, hier eine, 00:26:33.000 --> 00:26:37.000 dort ein, es gibt kleine Zeitungen, die sich rührend bemühen, 00:26:38.000 --> 00:26:40.000 Die großen Blätter waren sich in den vergangenen 10, 00:26:41.000 --> 00:26:46.000 15 Jahren bei den großen Fragen immer erstaunlich einig. 00:26:46.000 --> 00:26:53.000 Frank Walter Steinmeier, und das ist jetzt echt kein Sponti, 00:26:54.000 --> 00:26:57.000 hat vor nicht langer Zeit einen Artikel in der FAZ geschrieben, 00:26:57.000 --> 00:26:57.500 in dem heißt es, 00:26:57.500 --> 00:27:01.000 Vielfalt ist einer der Schlüssel für die Akzeptanz von Medien. 00:27:01.000 --> 00:27:04.000 Die Leser müssen das Gefühl haben, dass sie nicht einer 00:27:04.000 --> 00:27:09.000 einzelnen Meinung ausgesetzt sind, reicht die Vielfalt in Deutschland aus? 00:27:09.000 --> 00:27:12.000 Wenn ich morgens manchmal durch den Pressespiegel meines Hauses blättere, 00:27:12.000 --> 00:27:13.000 habe ich das Gefühl, 00:27:13.000 --> 00:27:15.000 der Meinungskorridor war schon 00:27:15.000 --> 00:27:16.000 mal breiter 00:27:17.000 --> 00:27:21.000 Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, 00:27:21.000 --> 00:27:24.000 wenn sie Informationen, Gewichten und einordnen. 00:27:24.000 --> 00:27:34.000 Der Konformitätsdruck in den Köpfen der Journalisten scheint mir ziemlich hoch. 00:27:34.000 --> 00:27:38.000 Das Meinungsspektrum draußen im Land ist oft erheblich breiter. 00:27:38.000 --> 00:27:42.000 Wie viele Redakteure wollen Steuersenkungen, Auslandseinsätze, 00:27:42.000 --> 00:27:46.000 Sanktionen und wie viele Leser? 00:27:46.000 --> 00:27:50.000 Zitat Ende. 00:27:50.000 --> 00:27:51.000 Das ist doch irre 00:27:52.000 --> 00:27:59.000 Dass ein Politiker, die Journalisten daran erinnert, seid vielfältig und nehmt die Leser ernst. 00:27:59.000 --> 00:28:02.000 Wenn wir da schon angekommen sind, da kann ich nur sagen, 00:28:02.000 --> 00:28:07.000 wer wundert sich denn über irgendwas? Überhaupt Politiker, 00:28:07.000 --> 00:28:10.000 da gab es draußen durchaus ein paar, die hatten verstanden, 00:28:10.000 --> 00:28:13.000 wo die Probleme liegen, die Grünen zum Beispiel, 00:28:13.000 --> 00:28:15.000 bei den Wahlen 2013 erinnern sie sich noch, 00:28:15.000 --> 00:28:17.000 da hatten sie ein Steuerkonzept, das war vorbildlich, 00:28:18.000 --> 00:28:23.000 es war präzise durchgerechnet und sah höhere Steuern für besser Verdienende vor. 00:28:24.000 --> 00:28:28.000 Es war chancenlos. Der Spiegel schrieb Raubzug mit Ansage und 00:28:28.000 --> 00:28:29.000 die Bild-Zeitung 00:28:29.000 --> 00:28:30.000 grüner Albtraum 00:28:32.000 --> 00:28:36.000 Das war der Tenor der großen Medien. Bloß keine Steuererhöhung. 00:28:36.000 --> 00:28:41.000 Denn die grünen Ideen zur Steuerpolitik trafen auf eine Öffentlichkeit auf Journalisten, 00:28:41.000 --> 00:28:46.000 die in jahrelangen, geduldigen Exerzitien das neoliberale Denken eingeübt hatten. 00:28:46.000 --> 00:28:50.000 Wichtigster Lehrsatz dieses Denkens, das Geld der Wohlhabenden ist 00:28:50.000 --> 00:28:54.000 am besten in den Taschen der Wohlhabenden aufgehoben. 00:28:54.000 --> 00:28:57.000 Keinesfalls sollte man es für die Ausstattung von Schulen oder Kindergarten 00:28:57.000 --> 00:29:00.000 nutzen, für die Integration von Migranten, 00:29:00.000 --> 00:29:02.000 die Bezahlung von Polizisten oder Sozialarbeitern 00:29:04.000 --> 00:29:07.000 Inzwischen haben die Grünen ihre Lektion gelernt. 00:29:07.000 --> 00:29:09.000 Selbst ein Grüner wie Anton Hofreiter, der als Linke gilt, 00:29:09.000 --> 00:29:15.000 redet dauernd von der Mitte der Gesellschaft, die man nicht belasten dürfte. 00:29:15.000 --> 00:29:19.000 Und es ist echt spannend zu gucken, was die Grünen inzwischen unter Mitte verstehen. 00:29:19.000 --> 00:29:24.000 Ein durchschnittlicher Haushalt verdient in Deutschland im Jahr 45.000 Euro. 00:29:25.000 --> 00:29:29.000 Dort liegt die Mitte. Das Steuerkonzept von 2013 sah folgerechtig 00:29:29.000 --> 00:29:33.000 höhere Belastungen für besser verdienende ab 60.000 Euro vor, 00:29:33.000 --> 00:29:36.000 also deutlich jenseits der Mitte. 00:29:36.000 --> 00:29:39.000 Heute wollen die Grünen nur noch Single-Haushalte höher besteuern, 00:29:39.000 --> 00:29:41.000 die mehr als 100.000 Euro haben 00:29:43.000 --> 00:29:49.000 Dazu sagt Cem Özdemir, mein Lieblingsgrüner, Mittelschicht sollten wir nicht am Rechenschieber definieren. 00:29:49.000 --> 00:29:54.000 Es gibt auch eine soziokulturelle Mitte. Wo man die Mitte 00:29:54.000 --> 00:29:59.000 ansetzt, ist eben immer eine Frage der eigenen Maßstäbe. 00:29:59.000 --> 00:30:03.000 Die Zeitungen haben das nicht anders gehandhabt, als die Grünen es jetzt tun. 00:30:03.000 --> 00:30:07.000 Sie haben sich als gute Demokraten schon um die Mitte gekümmert, 00:30:08.000 --> 00:30:12.000 aber eben um die Mitte ihrer Leser und nicht um die Mitte der Gesellschaft. 00:30:13.000 --> 00:30:15.000 Ich finde es toll, wenn man jetzt im Spiegel lesen kann, 00:30:15.000 --> 00:30:17.000 der Journalist fragt ständig, 00:30:17.000 --> 00:30:19.000 sehe ich das ganze Bild oder nur einen Ausschnitt? 00:30:19.000 --> 00:30:22.000 Höre ich die ganze Wahrheit oder höchstens die halbe? 00:30:22.000 --> 00:30:26.000 Welche Interessen haben meine Gesprächspartner? Welche Interessen habe ich selbst 00:30:26.000 --> 00:30:28.000 ? Ist die Geschichte interessant? Ist sie relevant? 00:30:28.000 --> 00:30:29.000 Stimmt sie wirklich 00:30:30.000 --> 00:30:34.000 Ich fürchte nur, die Wahrheit sieht ganz anders aus. 00:30:34.000 --> 00:30:36.000 Das ist das Problem mit dieser Öffentlichkeit, die sich für 00:30:36.000 --> 00:30:41.000 demokratisch und liberal hält. Sie ist voller Achtsamkeit für jene, 00:30:41.000 --> 00:30:45.000 die dazugehören und verblüffend desinteressiert an allen anderen. 00:30:45.000 --> 00:30:49.000 Der Grund für dieses Phänomen stand im Entwurf des neuen Armutsbrich 00:30:50.000 --> 00:30:56.000 der Bundesregierung. Bevor er daraus gelöscht wurde, 00:30:56.000 --> 00:30:59.000 nämlich die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist wesentlich höher, 00:30:59.000 --> 00:31:03.000 wenn diese Politikveränderung von einer großen Zahl von Menschen 00:31:03.000 --> 00:31:04.000 mit höherem Einkommen 00:31:04.000 --> 00:31:05.000 unterstützt wird 00:31:06.000 --> 00:31:10.000 Politiker und Publizisten arbeiten auch in der liberalen Gesellschaft nicht für 00:31:11.000 --> 00:31:14.000 alle Menschen, sondern immer nur für ihre Klientel. 00:31:14.000 --> 00:31:18.000 Die Abgehängten gehören nicht dazu. Damit konnte man sich in 00:31:18.000 --> 00:31:22.000 der sogenannten liberalen Gesellschaft auch ganz gut einrichten. Denn, 00:31:22.000 --> 00:31:25.000 wie es nach einer ebenfalls gelöschten Passage des Berichts heißt, 00:31:26.000 --> 00:31:30.000 Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, 00:31:30.000 --> 00:31:36.000 dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert. 00:31:36.000 --> 00:31:39.000 Das alte bürokratische Gesetz, ja, where you stand depends 00:31:40.000 --> 00:31:44.000 on where you sit, stimmt eben auch für den Journalismus. 00:31:44.000 --> 00:31:46.000 Und wo steht der Journalismus heute 00:31:50.000 --> 00:31:53.000 Wenn Sie aber genau hinhören, dann merken Sie, 00:31:54.000 --> 00:31:56.000 dass der Ton sich gerade so ein bisschen ändert. 00:31:56.000 --> 00:32:00.000 Die Eliten werden unruhig und mit Ihnen die Journalisten, 00:32:00.000 --> 00:32:04.000 denn Sie gehören ja zu den Eliten. Diese verfeinerten Städter, 00:32:04.000 --> 00:32:09.000 die wir alle sind, wir Guterzogenen, ja, die emanzipierten Frauen, 00:32:09.000 --> 00:32:12.000 die gleichberechtigten Schulen, die fürchten jetzt um ihre Freiheit. 00:32:12.000 --> 00:32:16.000 Mit Grund, denn die Gesellschaft, die der AfD vorschwebt, 00:32:16.000 --> 00:32:19.000 ist kein Genderseminar und auch kein Gay Club, 00:32:20.000 --> 00:32:22.000 sondern Opis miese Muffbude aus den 50ern, 00:32:22.000 --> 00:32:24.000 in denen die Polizei dem Perversen auch schon mal die Fresse 00:32:24.000 --> 00:32:27.000 poliert und es nicht häusliche Gewalt heißt, 00:32:27.000 --> 00:32:29.000 wenn ein Mann für Ordnung in seinem Haus sorgt 00:32:32.000 --> 00:32:37.000 Die Eliten fürchten jetzt, dass die Rechten ihnen den ganzen Spaß an Kapitalismus verderben. 00:32:37.000 --> 00:32:41.000 Peter Bofinger, Ökonomieprofessor, einer der Wirtschaftsweisen, sagt, 00:32:41.000 --> 00:32:47.000 die Anhänger der AfD fühlten sich besonders stark von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt. 00:32:47.000 --> 00:32:52.000 Die wachsende Ungleichheit facht den Populismus an und bedroht die Welt, 00:32:52.000 --> 00:32:59.000 wie wir sie kennen. Ich fand die Formulierung super. Erst jetzt, 00:32:59.000 --> 00:33:01.000 da die Welt, wie wir sie kennen, bedroht ist, 00:33:01.000 --> 00:33:07.000 wird es den Eliten mulmig. Plötzlich kommt Einsicht von unanerwarteter Seite, 00:33:07.000 --> 00:33:14.000 ausgerechnet im Economist, Bibel, dem Bibelanzeiger des Neoliberalismus, 00:33:14.000 --> 00:33:17.000 kann man lesen, komplizierte Finanzinstrumente haben, 00:33:17.000 --> 00:33:21.000 sich an allen Kontrollinstanzen vorbeigeschummelt und die Weltwirtschaft vor die Wand gefahren. 00:33:22.000 --> 00:33:26.000 Am Ende standen steuerfinanzierte Rettungsmaßnahmen für die Banken und staatliche Kürzungen. 00:33:26.000 --> 00:33:29.000 Viele Fabrikarbeiter, die ihre Arbeit verloren haben, waren nicht 00:33:30.000 --> 00:33:35.000 in der Lage, einen anständig bezahlten Ersatz zu finden. 00:33:35.000 --> 00:33:38.000 Und im Zentralorgan des Deutschen Bürgertums, also in der Zeit, 00:33:39.000 --> 00:33:43.000 stehen solche Sätze jetzt in Umfragen, sagen 70 Prozent der Deutschen, 00:33:43.000 --> 00:33:45.000 dass sie die soziale Ungleichheit als zu hoch empfinden. 00:33:45.000 --> 00:33:49.000 Immer mehr Menschen fühlen sich abgehängt. Sie haben das Gefühl, 00:33:49.000 --> 00:33:51.000 dass sie hart arbeiten, aber ihre Arbeit, 00:33:51.000 --> 00:33:54.000 sich immer weniger lohnt und dass es immer schwieriger wird, 00:33:54.000 --> 00:33:58.000 ein ordentliches Auskommen zu haben. 00:33:58.000 --> 00:34:00.000 Das ist dieselbe Zeitung, die vor fünf Jahren schrieb, 00:34:00.000 --> 00:34:02.000 die Lage im Land sei, 00:34:02.000 --> 00:34:03.000 so gut wie selten, 00:34:05.000 --> 00:34:09.000 Und es ist auch dieselbe Zeitung, die noch Anfang 2015 00:34:09.000 --> 00:34:14.000 etwas hilflos formulierte, man spürt, irgendetwas läuft schief im Land. 00:34:14.000 --> 00:34:20.000 Obwohl doch alles so gut läuft. Ja, 00:34:20.000 --> 00:34:22.000 sehr viele Journalisten haben sich ein Bild gemacht, 00:34:22.000 --> 00:34:24.000 so schön, dass man davon ganz betrunken wird, 00:34:24.000 --> 00:34:28.000 so wie der Spiegel es getan hat, der geschrieben hat, 00:34:28.000 --> 00:34:29.000 das Land hat die Kurve gekriegt. 00:34:29.000 --> 00:34:32.000 Deutschland ist mehr als erfolgreich, mehr als lebenswert. 00:34:32.000 --> 00:34:35.000 Es ist in diesem Sommer schlagartig sympathisch geworden, 00:34:35.000 --> 00:34:38.000 bewohnt von Menschen, die ihre Freiheit nicht bloß aushalten, 00:34:38.000 --> 00:34:40.000 sondern sich daran erfreuen, 00:34:40.000 --> 00:34:40.500 die Leute in Deutschland 00:34:40.500 --> 00:34:41.000 sind heute anders 00:34:43.000 --> 00:34:47.000 Das stimmte auch alles. Die Lage war gut und alles lief prächtig und 00:34:47.000 --> 00:34:51.000 Deutschland ist erfolgreich und lebenswert und alle sind ganz anders. 00:34:51.000 --> 00:34:55.000 Das gilt halt bloß nur eben für die Leser der Zeit und 00:34:55.000 --> 00:35:03.000 des Spiegels, aber nicht für alle. Und jetzt, 00:35:03.000 --> 00:35:05.000 jetzt bringt sich auch nicht das ganze Volk zu Gehör, 00:35:05.000 --> 00:35:09.000 das wäre eine neue Fiktion, das ist dann die Fiktion der Rechten, 00:35:09.000 --> 00:35:11.000 aber es melden sich doch schon Leute zu Wort, 00:35:11.000 --> 00:35:13.000 die bislang geschwiegen haben. 00:35:13.000 --> 00:35:21.000 Die AfD hat ihnen eine Stimme gegeben und leider Leider ist das keine Stimme des Fortschritts, 00:35:21.000 --> 00:35:27.000 sondern eine des Rassismus, dem Menschenverachtung und der Unfreiheit. 00:35:27.000 --> 00:35:31.000 Ich habe vor vielen Jahren einmal den amerikanischen Reporter Gay Telease getroffen. 00:35:31.000 --> 00:35:35.000 Das war 2008, 2009, das ist also schon ein bisschen her. 00:35:36.000 --> 00:35:38.000 Und von dem Gespräch, das wir damals geführt haben, 00:35:38.000 --> 00:35:39.000 habe ich sehr, sehr profitiert. 00:35:39.000 --> 00:35:42.000 Das hat mich geradezu geprägt, vielleicht mehr als jedes andere Gespräch, 00:35:42.000 --> 00:35:47.000 was ich jemals mit einem Journalisten geführt habe. 00:35:47.000 --> 00:35:49.000 Ich lese Ihnen ein Zitat vor, 00:35:49.000 --> 00:35:52.000 was er da gesagt hat zu mir in diesem Gespräch. 00:35:52.000 --> 00:35:56.000 Er hat gesagt, im Jahr 2008 oder 2009, 00:35:57.000 --> 00:35:59.000 Die Medien sind der Macht zu nahe gekommen. 00:35:59.000 --> 00:36:03.000 Der perfekte Journalist ist immer ein Fremder. Wir waren damals 00:36:03.000 --> 00:36:07.000 Fremde. Unsere Generation, die Journalisten der Nachkriegszeit, 00:36:07.000 --> 00:36:11.000 wir waren die Ersten in unseren Familien, die aufs College gegangen waren. 00:36:11.000 --> 00:36:14.000 Unsere Eltern waren Einwanderer, Juden, Italiener. 00:36:14.000 --> 00:36:16.000 Wir waren neu in diesem Land und in der Sprache. 00:36:16.000 --> 00:36:21.000 Wir berichteten über eine andere Klasse, über eine höhere Klasse. 00:36:21.000 --> 00:36:25.000 Wir gehörten nicht dazu. Sie schon. Wir warteten draußen, 00:36:25.000 --> 00:36:29.000 bis sie herauskamen und uns Krümel hinwerfen, Brocken. 00:36:29.000 --> 00:36:33.000 Wir haben sie nicht gehasst, wir haben sie beobachtet. 00:36:33.000 --> 00:36:36.000 Es fiel uns leicht dagegen zu sein. Heute sind die Journalisten 00:36:36.000 --> 00:36:39.000 auf dieselben Schulen gegangen, wie die Politiker, sie kennen sich, 00:36:39.000 --> 00:36:43.000 sie kommen aus den gleichen Häusern, sie gehören zur gleichen Klasse. 00:36:43.000 --> 00:36:47.000 Sie sind befreundet. Es gibt zwischen den Medien und der 00:36:47.000 --> 00:36:51.000 Macht heute eine Verwandtschaft, die es früher nicht gab, 00:36:51.000 --> 00:36:53.000 einen Mangel an Skeptizissmus. Es geht nur noch darum, 00:36:53.000 --> 00:36:57.000 wer in die Air Force wann darf, wer bekommt einen Platz. 00:36:57.000 --> 00:37:05.000 Wir können unsere Arbeit so nicht mehr machen. 00:37:05.000 --> 00:37:10.000 Ich bin nicht zuversichtlich, dass der Journalismus sehr lernfähig ist. 00:37:10.000 --> 00:37:13.000 Denn im Moment herrscht, wenn ich mich umgucke, 00:37:13.000 --> 00:37:14.000 nur bei den Kollegen die Haltung vor, 00:37:14.000 --> 00:37:18.000 man müsse irgendwie einen Fehler im System beheben, 00:37:18.000 --> 00:37:23.000 statt anzuerkennen, dass man selber dieser Fehler ist. 00:37:23.000 --> 00:37:27.000 Nils Minkmann, Freund von mir, hat im Spiegel geschrieben, 00:37:27.000 --> 00:37:33.000 unsere bis eben, wie selbstverständlich genossene, ererbte, offene Gesellschaft. 00:37:33.000 --> 00:37:40.000 Auf der Basis der universellen Menschen und Bürgerrechte, mit einem vernünftigen Sozialstaat, 00:37:40.000 --> 00:37:44.000 in der Medien und der Rechtsstaat mit Bedacht agieren, 00:37:44.000 --> 00:37:49.000 und die europäpäische Einigung weiteren, das also, 00:37:49.000 --> 00:37:57.000 was bis gestern unser Alltag war, ist heute unsere Ut. 00:37:57.000 --> 00:37:58.000 Das. Das ist das. Das ist das destern ein 00:37:58.000 --> 00:38:03.000 Allter, war, ist heute unsere lolös, lolöt. 00:38:03.000 --> 00:38:05.000 Und das nicht. dobli, d. Die de. 00:38:05.000 --> 00:38:07.000 mölöt, de, d. . . Da . Das ist 00:38:07.000 --> 00:38:08.000 , d.